Spezial: 3 Ötztaler Radmarathon Teilnehmer und ihre Erfahrungen

Heute präsentieren 3 Teilnehmer vom Ötztaler-Radmarathon ihre Erfahrung und teilen mit uns ihre Erfahrungsberichte. Die 3 Teilnehmer stammen aus verschiedenen Leistungsstufen und geben einen Einblick wie es „hinten“, in der „Mitte“ und „vorne“ ausschaut. Die ausgearbeiteten Daten liefern euch einen Einblick in Werte wie Zeit, Leistung, VAM und Puls.

Zuerst kommt der persönliche Erfahrungsbericht und zum Schluss die Datenauswertung. Wir starten mit einem Finisher, machen weiter mit einem Verfolger und lesen zum Schluss den Erfahrungsbericht eines Elite Fahrers.


FINISHER

Um knapp nach fünf Uhr fuhr ich zum Start. Bis in den Startblock dauerte es eine Weile da sich schon viele andere Fahrer auf den Weg gemacht haben. So ging’s langsam in die Startblöcke. Schlussendlich bin ich knapp 1 km vor der Startlinie zum Stillstand gekommen. Noch ca 30 Minuten warten bis zum Start.

Die Zeit vergeht schnell. Man schaut sich die anderen Räder an, die Sportler und versucht zu genießen. Währenddessen bin ich gestresst mit fragen wie „soll ich einen Schluck machen?“ „soll ich etwas snacken?“ „muss ich noch auf das wc?“ „wie wirds mit gehen?“ „habe ich genug an meiner FTP trainiert?“

Als dann endlich der Start ertönt fahre ich noch nicht. Die Menschenmasse steht. Ich fange erst einige Minuten später an zu fahren. Ich vergesse alle Gedanken und bin im Rennen.

Richtung Ötzi geht’s vorwiegend bergab. Es heißt man soll sich gut einordnen und gut mit den anderen mitfahren. Das versuche ich.

In Ötz angekommen sehe ich schon sehr viele an der Seite stehen. Viele ziehen sich um. Ich muss mich nicht umziehen und fahre weiter.

Bergauf herrscht fast Stau. Je mehr Höhenmeter vergehen desto weniger staut es sich. Ich versuche meine anvisierte Herzfrequenz zu halten. Es fühlt sich gut an. Teilweise bin ich abgelenkt und denke nicht daran, dass ich noch mehrere Stunden unterwegs sein werde. Teilweise kreuzen Kühe meinen Weg. Oben angekommen fülle ich meine Flaschen und stürze mich in die Abfahrt.

Am Brenner heißt es eine gute Gruppe finden. Es ist nicht viel Zeit verstrichen und schon hat sich eine Gruppe gebildet. Der Brenner ist gegen Ende hin steiler. Teilweise verliert sich dann die Gruppe und viele fahren wieder ihr eigenes Tempo. Nur nicht überziehen. Die Labe ist nicht direkt an der Straße, es geht auf eine Art Autorastplatz, ich fahre sie auch an und fülle meine Flaschen wieder.

Nach der Abfahrt wird es wieder spannend. Die Beine melden schon dass sie nicht mehr frisch sind, aber es fühlt sich noch OK an. Der Jaufenpass ist kein einfacher Berg. Für viele ist er der Scharfrichter. Nach der Mitte des Anstiegs fühle ich mich schwächer und schleppe mich Richtung Gipfel. Oben angekommen. Flaschen füllen und schnell runter denke ich mir.

Ich merke, dass meine Ambitionen eine Spur ins ferne rücken. Mein Modus hat gewechselt. Es geht jetzt darum ins Ziel zu kommen. Meine bisherigen Rechnungen und Durchfshrtszeiten im Kopf rücken in den Hintergrund.

Meine Gedanken drehen sich nun um essen, trinken und kämpfen. Und das Timmelsjoch. Das Timmelsjoch ist lang. Wie mache ich das bloß? Wieso werden meine Kräfte weniger?

Ich versuche mich abzulenken. Gesprächspartner sind rar obwohl soviele auf der Strecke sind. Ich wechsle in den Überlebensmodus. Oder besser gesagt der Wechsel wurde mit mir gemacht. Irgendwann kommen endlich die berühmten Kehren. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle Selfies machen. Schöne Fotos sind mir jetzt egal. Als die Tunnel kommen weiß ich, dass es bald hinter mir ist.

Ich kanns kaum glauben als ich am Timmelsjoch angekommen bin. Das wars? Ich hätte nicht mehr geben können. Genießen und bewusst werden. Hier bin ich du mein Timmelsjoch! Durchatmen.

In der Abfahrt die Mondlandschaft genießen. Ein Mensch steht rechts am Straßenrand und macht Fotos! Ich werde nicht langsamer. Den letzten Gegenanstieg überwinde ich, ich weiß nicht wie.

In Zwieselstein angekommen weiß ich, dass ich bald im Ziel bin. Zurück aus dem Kampf!

Menschen stehen am Straßenrand und applaudieren. Unglaublich! Danke! Die folgenden Daten und die einzelnen Streckenabschnitte stammen von Strava.com:

Bewegungszeit: 11:33
Verstrichene Zeit: 12:25
Zeit Sölden bis Ötz: 48 Minuten
Ötz bis Kühtai: 01:39 (hh:mm), 210 Watt, 732 VAM, 153 Puls
Kühtai down: 25 Minuten
lbk.brenner: 01:38 (hh:mm), 202 Watt, 146 Puls
Brenner Pass to Sterzing descent: 20 Minuten
Jaufenpass official – from sign to sign: 01:51 (hh:mm), 176 Watt, 592 VAM, 146 Puls
Jaufenpass down: 30 Minuten
Timmelsjoch: 03:40 (hh:mm), 160 Watt, 495 VAM, 147 Puls
Timmelsjoch bis Sölden: 50 Minuten


VERFOLGER

Hallo! Ich bin schon einmal den Ötztaler gefahren. Damals knapp über 9 Stunden bei guten Bedingungen.

Heutiges Ziel: unter 9 Stunden. Regnerische Bedingungen. Es wird hart. Die Vorbereitung und die Saison verlief gut. Am Freitag und Samstag wurden Kohlenhydrate geschaufelt. Söldens Vorrat!

Frühmorgens bei Dunkelheit durfte ich nicht direkt zum Start fahren, sondern durch Nebenstrassen. Mein Startplatz befand sich dadurch weiter hinten im Feld als geplant. Trockenes Wetter.

Mit dem Startschuss ging es bergab nach Ötz. Mit einem Schnitt von 50km/h.

Das Kühtai. 17,5km mit 1256hm, maximale Steigung: 18%. Am Plan stehen ca. 85% der maximalen Leistungsfähigkeit. Die Abfahrt war trocken. Schnell und geil! Dabei die Angst vergessen eine Kuh abzuschießen.

Den Brenner habe ich in einer Gruppe verbracht. Versteckt.

Jaufenpass geht gut. Ich bin voller Adrenalin. Die Abfahrt vom Jaufenpass mit neuem Asphalt sehr cool.

Das Timmelsjoch. Letztes Hindernis. Lang und hart. Ich sehne die Labe herbei und suche nach Cola. Die Station entspannt kurz. Gespräche gibt es hier nur kurz. Die netten Fragen von der Labestation beantworte ich nur kurz. Mehr Energie habe ich nicht. Die Konzentration hebe ich mir auf. Ich habe einen Tunnelblick. Alle anderen sind auch nicht mehr frisch. Den gehts nicht besser als mir. Ich steige wieder auf und fahre weiter.

Meine Kräfte haben mich noch nicht komplett verlassen. Von guten Beinen ist aber auch keine Rede mehr. Als ich bei den berühmten Kehren vorbei fahre habe ich ein Deja-vu. Ich weiß ich habe es bald geschafft. Ich stürze mich in die Abfahrt und reiße mich noch ein letztes mal zusammen für den Gegenanstieg.

Das letzte Stück nach Sölden übernimmt meine Automatik und bringt mich ins Ziel.

Mit einer Gesamtzeit von 8:35 ist mein persönliches Ziel mehr als erreicht. Nachfolgend meine Daten. Die Streckenabschnitte die aufgelistet sind stammen von Strava.com und liefern einen guten Vergleich:

Bewegungszeit: 08:29
Verstrichene Zeit: 08:35
Zeit Sölden bis Ötz: 37 Minuten
Ötz bis Kühtai: 01:17 (hh:mm), 248 Watt, 936 VAM, 148 Puls
Kühtai down: 22 Minuten
lbk.brenner: 01:18 (hh:mm), 206 Watt, 141 Puls
Brenner Pass to Sterzing descent: 17 Minuten
Jaufenpass official – from sign to sign: 01:07 (hh:mm), 246 Watt, 977 VAM, 154 Puls
Jaufenpass down: 22 Minuten
Timmelsjoch: 02:10 (hh:mm), 217 Watt, 863 VAM, 149 Puls
Timmelsjoch bis Sölden: 32 Minuten

ELITE

Am Tag des Ötzis hatte ich mir vorgenommen unter die besten 50 zu fahren. Ich war schon einmal unter die top 100 gefahren. Donnerstag und Freitag waren zum Energiespeichern geplant.

Am Samstag eine Stunde aufs Rennrad, danach die Startnummer in Sölden abholen und die Atmosphäre erleben. Die Verpflegungstaschen habe ich gefüllt und deponiert.

Geschlafen habe ich halbwegs gut. Das heißt von Mitternacht bis halb 5. Zwei Brötchen, eine Banane und ein Apfelsaft. Das war mein Frühstück. Kurz in die App schauen für einen Wettercheck. Trocken wirds. Das ist mehr als genug.

Auf nach Sölden und mit 6:10 ziemlich früh an den Start. Da war schon richtig was los. Wie auf einem Dorffest. Also drängen.

Startschuss um 6:45. Konzentriert ging es in die Fahrt nach Ötz. Aufpassen und vorne bleiben. Das Tempo war ziemlich stark. Kurz vorm Kreisverkehr in Ötz kleines Blatt auflegen. Jetzt geht’s los. Die anderen in der Gruppe drücken ziemlich drauf. Das Tempo ist brutal. Ich bin in einer 30 bis 40 köpfigen Gruppe. Ich überlege mir kurz das Tempo nicht mehr so hoch zu halten. Ich entscheide mich dann doch weiter drauf zu drücken. In Kühtai gabs dann die erste Verpflegung. Der erste Berg war zum kotzen.

Mit Vollgas gings nach Kematen, dabei konnten Fahrer aufschließen. Essen. Trinken. Die Temperaturen machen nicht viel Durst. Im Kreisel fuhren wir den Brenner hoch und machten Tempo. Mein Puls zeigte immer so um 165 herum an. Essen und Trinken. Nicht viel Energie verbrauchen. Am Brenner dann die nächste Verpflegung unseres Teams. Beutel schnappen und weiter mit Tempo nach Sterzing. Essen und Trinken.

Gleich gehts in den Jaufenpass. Von Beginn an hohes Tempo. Ich muss vorsichtiger werden und gehe runter vom Gas. Die anderen fahren davon. Das geht mir zu schnell. Puls 170. Es beginnt zu tröpfeln und es gibt Nebel. Ich zwinge mich zu Essen und trinken.

Viele Zuschauer feuern an. Das gibt Energie und baut auf. Oben angekommen weiß ich, dass ich gut im Rennen bin. Ich habe keine Ahnung welcher Platz, aber meine gedankliche Durchfahrtszeit passt. In der Abfahrt eine Flasche trinken und Gels verzehren. Die Abfahrt ist zügig und die Kehren können scharf werden. Ich kenne sie bereits und habe einen Vorteil.

In St. Leonhard angekommen dachte ich mir „jetzt bitte nur nicht eingehen. Einige Fahrer machen Tempo und ich halte mich im Windschatten versteckt. Angst hier den Anschluss zu verlieren.

Durchhalten – Trinken – Noch ein GEL – Trinken. Adrenalin ist da. Die schweren Beine auch. Es ist hart.

Hinein in die letzten Kehren. Meine Betreuer mit den E-BIKES geben mir Wasser und Cola. Der Wind ist ziemlich stark. Puls 160. Es tut schon weh. Ein Stück weiter kommen dann die Krämpfe. Aufstehen, pedalieren, hinsetzen. Dann durch den Tunnel mit Gegenwind. Bald kommt das Joch. Jetzt mit aller Kraft in die Letzte Abfahrt. Im Anstieg zur Mautstelle war der Wind wieder stark. Es läuft nicht so wie gewohnt. Durchhalten.

Das lange Flachstück und rasch Sölden entgegen. In Zwieselstein jede Menge Leute die mich anfeuern. Dann runter nach Sölden mit Gänsehautfeeling. Unglaublich. Jede Menge Menschen die anfeuerten. Das hätte ich mir selbst nicht zugetraut. Letzte Kurve. Und Ziel. Soviel Qual für ein schnelles Ende.

Es dauerte bis ich mich fassen und genießen konnte. Alle Zuschauer und meine Familie freuen sich mit mir. Unglaublich! Die folgenden Daten und die dazugehörigen Streckenabschnitte stammen von Strava.com:

Bewegungszeit: 07:32
Verstrichene Zeit: 07:32
Zeit Sölden bis Ötz: 36 Minuten
Ötz bis Kühtai: 01:02 (hh:mm), 293 Watt, 1136 VAM, 175 Puls
Kühtai down: 20 Minuten
lbk.brenner: 01:03 (hh:mm), 303 Watt, 150 Puls
Brenner Pass to Sterzing descent: 16 Minuten
Jaufenpass official – from sign to sign: 00:55 (hh:mm), 297 Watt, 1201 VAM, 181 Puls
Jaufenpass down: 22 Minuten
Timmelsjoch: 01:50 (hh:mm), 243 Watt, 982 VAM, 176 Puls
Timmelsjoch bis Sölden: 31 Minuten

Wir wünschen euch weiterhin Gesundheit und starke Beine!

Trainingsplanung

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